Vater der Bocknarren und Meister des Sgraffitto

Vor 50 Jahren erschütterte eine Todesnachricht die Boxberger Fastnachtswelt: Sepp Biehler, der „Vater“ der Bocknarren, war am 11. Februar 1973 im Schwarzwald gestorben. Wer war dieser Künstler, der einerseits bocknärrisch, andererseits tiefgläubig, viele Spuren in Boxberg und im Taubertal hinterlassen hat?

Sepp Biehler wird am 30. Mai 1907 in Konstanz geboren und wächst dort auf. Nach Volksschule und Gymnasium beginnt er 1923 ein Praktikum als Porzellanmaler, das er aber abbricht. Ab Wintersemester 1925/26 studiert er an der Landeskunstschule in Karlsruhe, wo für ihn vor allem Professor Ernst Würtenberger wichtig wird. Biehler erarbeitet sich die Grundlagen für seine künstlerische Laufbahn.

 

Nach Kriegsdienst, Verwundung, Gefangenschaft und Entlassung folgen 1946 weitere Ausstellungen in süddeutschen Städten, auch in Essen und Stockholm. Umfangreiche Auftragsarbeiten entstehen für Tafeln, Altäre, Fenster und Wandbildern in Kirchen, Schulen und öffentlichen Gebäuden. 1948 erschafft Biehler in Konstanz erstmals einen Wandschmuck in der vergessenen Sgraffitto-Technik.

 

 

Das große Sgraffitto „Der barmherzige Samariter“ am ehemaligen Bezirksspital in Boxberg.

 

Der Tauberbischofsheimer Landrat Anton Schwan sorgt zunehmend für Aufträge für seinen Schwager. Von 1952 bis 1956 wohnt der Kunstmaler einige Wochen in Wertheim und erschafft Wandbilder. 1957 siedelt er für über ein Jahrzehnt nach Boxberg über. Am 3. März 1957 gründet er mit Ehefrau Ingeborg die Zunft der Bocknarren. Er stellt die ersten, von ihm entworfenen Holzmasken vor: den „Bock-Narr“ und seine Begleiterin, das Geißle. Seit bald 66 Jahren sind sie nun auf der Welt. Der Bildhauer August Göbel aus Assamstadt schnitzte die Masken, Ingeborg Biehler entwarf die Kleidung dazu: schwarze Kostüme für die Böckle, graue für die Geißle, und darauf einheitlich Filzstreifen in den Farben grün, weiß, gelb und rot.

Im Bocknarr vereint Biehler die Bräuche der schwäbisch-alemannischen Fastnacht mit der Sage vom Boxberger Wappentier. Am 15. Februar 1958, beim Ballabend des VfB Boxberg im Gasthaus „Zum Löwen“, verliest Sepp Biehler als Zunftmeister die von ihm verfasste Urkunde über die Gründung der Zunft.

 

Von 1957 bis 1969 erlebte Boxberg Sepp Biehler als bocknärrischen Zunftmeister, das Taubertal eher den tiefgläubigen Künstler. Eine Aufzählung seiner wichtigsten Werke (auf das Taubertal beschränkt): 1959: Glasbilder für Gamburg; Steinschnitte im Landratsamt Tauberbischofsheim und Sgraffito „Heiliger Martin“ an der Außenfassade. 1960 Kreuzweg für die Schlosskapelle Gerlachsheim. 1961: Mosaik in Königheim. 1962: Mosaik Schulturnhalle Königshofen. 1965: Betonglas-Zyklus „Sonnengesang des hl. Franz“ im Kapuzinerkloster Bade Mergentheim. 1966: Kreuzweg für Gerchsheim.

Auch in Boxberg selbst hat Biehler wichtige Werke geschaffen. Zwei riesige Wandgemälde prägten jahrzehntelang die Eingänge des Städtchens. Am Lindenrain an Biehlers Wohnhaus seit 1957 das Sgraffito „Christopherus“ (seit einigen Jahren unter der Wand-Isolierung verschwunden). Und am alten Bezirksspital seit 1960 das fünf mal sechs Meter große Sgraffitto „Der barmherzige Samariter“ (2015 mit dem Abriss des Spitals zerstört). Die Werke an der neuen Volksschule von 1956 sind dagegen erhalten: das Sgraffitto „Tobias und der Engel“ an der Außenwand, die Seccowandbilder auf sechs mal drei Meter im Treppenhaus. Weitere Werke: 16 Wappen in der Sparkasse, das Wappen am Alten Rathaus, das Treppengeländer an der Boxberger Kirche.

 

In den katholischen Kirchen in Schweigern Fenster und Altargerät, in Epplingen (Kapelle) ein Kreuzweg, in Lengenrieden Fenster, in Windischbuch elf Fenster und das intensive Seccowandbild „Apokalypse“ in der Apsis.

 

Die Kunsthistorikerin Katja Ulrich charakterisiert Biehlers Werk als das eines Traditionalisten. Im Herbst 1969 zieht Biehler nach Bernau. Gesundheitlich angeschlagen, widmet er sich vor allem dem Malen. Als größtes Werk entsteht der Flügelaltar für das Regierungsgebäude in Konstanz.

 

Vom Tode gezeichnet, malt er ein letztes Selbstporträt und farbige Blätter von einer unbeschreiblichen Stille. Am 11. Februar 1973 stirbt er in Waldshut. Die Boxberger Narren hatten ihren Gründer schon zum Fastnacht-Feiern ins Umpfertal eingeladen. Nun musste eine Abordnung nach Bernau, dem Freund das letzte Geleit geben.

 

                                                                                         11.02.2023 von Dr. DIeter Thoma

 

 

 

 

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